Freitag, 8. November 2019

PRESSEMITTEILUNG
Berlin, 21.10.2019


Der Bundesverband der Rentenberater e.V. kritisiert eine aktuelle Entscheidung des Bundessozialgerichts, nach der berufstätige Eltern bei der Rente schlechter gestellt werden können, als Eltern ohne Arbeit.

Eltern erhalten während der Erziehung eines Kindes Beitragszeiten in der Rentenversicherung gutgeschrieben. 36 Monate gibt es für jedes ab 1992 geborene Kind. Für frühere Geburten sind es 30 Monate. Dabei wird einem Elternteil für jedes Jahr der Kindererziehung ein Rentenzuwachs von etwa einem Entgeltpunkt in Aussicht gestellt - das entspricht der Beitragsleistung eines Durchschnittsverdieners.
Allerdings kommen zwei Drittel der Betroffenen im Osten und immerhin fast ein Fünftel im Westen, die derzeit in Rente gehen, nur unvollständig oder gar nicht in den Genuss dieser Zuschläge.

Sind Eltern während der Kindererziehung nämlich gleichzeitig berufstätig, werden die Zuschläge gekürzt oder fallen schlimmstenfalls ganz weg. Ursache hierfür ist eine Vorschrift im Rentenrecht, die regelt, dass Entgeltpunkte aus einer Beschäftigung und Entgeltpunkte aus Kindererziehungszeiten nur bis zu bestimmten Höchstgrenzen berücksichtigt werden. Die Rechtmäßigkeit der Regelung hat das Bundessozialgericht nun in einem aktuellen Urteil bestätigt.

„Das ist ein Skandal.“, sagt Christian Lindner, Mitglied im Bundesverband der Rentenberater e.V. „Das Bundesverfassungsgericht hat zu diesem Thema schon 1996 klar formuliert, dass der Wert der Kindererziehung nicht geschmälert oder gar aufgehoben werden darf, weil die Erziehungsperson während der ersten Lebensphase des Kindes versicherungspflichtig gearbeitet hat.“
Es gibt also keine Rechtfertigung, diese Leistung nur deshalb zu kürzen, weil die betroffenen Eltern während der Kindererziehung gleichzeitig Rentenansprüche durch Arbeit erworben haben.

Eltern, die bereits Rente bekamen, haben infolge der Ausweitung der Kindererziehungszeit für den vor 1992 geborenen Nachwuchs einen pauschalen Zuschlag von 1,5 Entgeltpunkten pro Kind erhalten. Anders als bei den Neurentnern spielte bei ihnen die neben der Kindererziehung ausgeübte Erwerbstätigkeit keine Rolle.

Das BSG hält diese unterschiedliche Behandlung für gerechtfertigt, weil so die Umsetzung wohl vereinfacht werden sollte. Ein Argument, das aus Sicht des Rentenberaters keinesfalls überzeugt.
„Es gab bei der Neuberechnung von Bestandsrenten überhaupt keinen Mehraufwand. Weder war eine umfassende Neuberechnung, noch irgendein Mitwirken der Betroffenen nötig.“, erklärt Lindner. „Es ist einfach so, dass die Bestandsrenten nicht gedeckelt wurden und die anderen, die Neuen, eben schon.“
Aktuell werden Eltern mit Arbeit also zu Rentnern 2. Klasse gemacht, ohne, dass wirklich nachvollziehbare Gründe genannt werden.
Geradezu bemerkenswert erscheint die Urteilsbegründung: Die Beitragsbemessungsgrenze, heißt es da, sei bei der Rente ‚systemimmanent‘ und wirke immer auch als ‚Leistungsgrenze‘. Die Rentendeckelung auch während der Erziehungszeiten sei daher gerechtfertigt und verfassungsgemäß.
Schon aus dem Wort ‚Beitragsbemessungsgrenze‘ (BBG) ergibt sich der Zusammenhang mit ‚Beiträgen‘. Für die Anerkennung von Erziehungsleistung werden aber gerade keine Beiträge geleistet, weil dafür auch gar keine Entgelte gezahlt werden. Es besteht aus Sicht des Bundesverbandes der Rentenberater e.V. schlicht kein sachlicher Zusammenhang.

Bliebe noch der Aspekt ‚Leistungsbegrenzung‘. Aber will das höchste deutsche Sozialgericht die Erziehungsleistung arbeitender Eltern durch Billigung einer Obergrenze wirklich geringer schätzen?
„Vor drei Jahren lag das gleiche Thema schon einmal beim Bundesverfassungsgericht“, erläutert Rentenexperte Lindner. „Damals wurde das Verfahren - nach über 13 Jahren - eingestellt, weil die Klägerin inzwischen verstorben war. Vielleicht bekommt das Bundesverfassungsgericht nun eine zweite Chance und kann diese Ungleichbehandlung beenden.“

Das öffentliche Interesse an einer ungekürzten Anerkennung von Erziehungszeiten auch für arbeitende Eltern dürfte hoch sein. Mit Blick auf die Zahlen der Rentenversicherung geht die Anzahl der Betroffenen wohl knapp an die Millionengrenze. Zurzeit kommen jedes Jahr 170.000 bis 180.000 Betroffene mit gekürzter Rente hinzu.

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