Freitag, 27. November 2015

Zwangsberentet? Geht sowas denn überhaupt?

Mit dieser Frage erschien kürzlich ein Kunde zur Beratung. Grundsätzlich muss diese Frage mit einem "JA" beantwortet werden, jedoch ist der Weg zur Zwangsberentung ein wenig komplexer.

Fordert eine Behörde einen Versicherten auf innerhalb einer Frist einen Antrag auf Rehabilitation zu stellen, kann dieser Antrag auf Rehabilitation gemäß § 116 SGB VI in einen Antrag auf Rente umgedeutet werden.

Dies ist dann der Fall, wenn Versicherte vermindert erwerbsfähig sind und ein Erfolg von Leistungen zur Rehabilitation nicht zu erwarten ist oder Leistungen zur Rehabilitation nicht erfolgreich gewesen sind, weil sie die verminderte Erwerbsfähigkeit nicht verhindert haben.

Das Dispositionsrecht des Versicherten wird damit eingeschränkt. Was ist jedoch, wenn dieses Recht nicht eingeschränkt wird?

Mein Mandant erkrankte arbeitsunfähig und bezog bis zu seiner Aussteuerung Krankengeld für 78 Wochen. Während des Krankengeldbezugs hatte ihn seine Krankenkasse aufgefordert einen Antrag auf medizinische Rehabilitation zu stellen. Die Zuständigkeit der gesetzlichen Rentenversicherung war gegeben. Die gesetzliche Rentenversicherung vertrat jedoch die Ansicht, dass eine ambulante Behandlung weiterhin ausreichend sei und lehnte den Antrag auf Rehabilitation ab.

Nach Beendigung des Krankengeldanspruchs meldete sich mein Mandat bei der Agentur für Arbeit im Wege der Nahtlosigkeitsregelung arbeitslos. Auch die Agentur für Arbeit vertrat die Ansicht, dass der Versicherte einen Antrag auf Rehabilitation stellen sollte und fordert erneut auf. Auch dieser Aufforderung folgte mein Mandant am 15.08.2014.

Mit Ablehnungsbescheid vom 23.09.2014 wurde auch diesem Antrag auf Gewährung von Leistungen zur Rehabilitation wegen fehlender medizinischen Voraussetzungen nicht entsprochen. Nach Auffassung und Feststellung der gesetzlichen Rentenversicherung seien derart Leistungen auch weiterhin nicht erforderlich. Eine Krankenbehandlung im Rahmen der Krankenversicherung sei ausreichend. Die beratenden Ärzte der Rentenversicherung haben keine Gefahr einer Erwerbsminderung erkannt.

Dieser Bescheid der Rentenversicherung vom 23.09.2014 wurde mit Ablauf der Widerspruchsfrist von einem Monat bestandskräfitg. Insoweit ist das bis dato eingeschränkte Dispositionsrecht meines Mandanten wieder aufgehoben worden.

Nun wünschte mein Mandant mit Rentenantrag vom 28.01.2015, nach schriftlicher Aufforderung zur Rentenantragstellung durch die Rentenversicherung und nahezu zeitgleicher Einstellung der Arbeitslosengeldzahlung von monatlich ca. 1.300,- Euro durch die Agentur für Arbeit, die Gewährung einer Erwerbsminderungsrente oder Altersrente mit Beginn zum 1.02.2015 nach dem Grundsatz der Meistbegünstigung.

Auf Rückfrage teilte die gesetzliche Rentenversicherung mit, dass eine Altersrente mit einem Rentenbeginn ab 1.02.2015 um ca. 32,- Euro netto monatlich höher ausfallen würde als die von der Rentenversicherung vorgesehene rückwirkende Erwerbsminderungsrente ab 1.08.2014 (in Höhe von monatlich ca. 1.000,- Euro) wegen des Rehabilitationsantrages vom 15.08.2014. Da mein Mandant jedoch von einer evtl. Rentennachzahlung nicht profitieren würde, da auf diese Zahlungen die Agentur für Arbeit aufgrund des höheren Arbeitslosengeldes einen Erstattungsanspruch geltend machen kann, lag somit berechtigtes Interesse meines Mandanten vor, durch Verschieben des Rentenbeginns eine erhebliche Verbesserung des Rentenanspruches zu erreichen.


monatlich 10 Euro mehr Rente...

Bereits vor ca. einem Jahr berichteten wir über einen Fall aus der Praxis .

Unser Mandant hatte nach langjährigem Verfahren gegen seine Krankenversicherung in der zweiten Instanz Recht bekommen. Ihm wurde rückwirkend eine Krankengeldzahlung in Höhe von insgesamt 8.047,75 Euro (ohne Zinsen) für die Zeit von 1.12.2010 bis 25.03.2011 zugesprochen.

Gegen dieses Urteil des Landessozialgerichts Baden-Württemberg (Az: L 11 KR 1242/14) hatte die Krankenversicherung fristgerecht eine Nichtzulassungsbeschwerde beim Bundessozialgericht (Az: B 3 KR 20/15 B) eingereicht. Das Bundessozialgericht hat diese Beschwerde mit Beschluss abgewiesen und der Krankenversicherung auch die Kosten des Beschwerdeverfahrens aufgetragen.

Unser Mandant ist mittlerweile Rentner. In seinem Rentenbescheid wurde die obige Zeit vom 1.12.2010 bis 25.03.2011 vorerst nicht als Versicherungszeit anerkannt, weil das Urteil des Landessozialgerichts aufgrund der Beschwerde noch nicht rechtsbindend wurde.

Als auch dieses Problem gelöst wurde, haben wir gemäß § 44 SGB X die Überprüfung des Rentenbescheides beantragt und nach der Berücksichtigung der sozialversicherungspflichtigen Entgelte aus dem Sozialleistungsanspruch Krankengeld verlangt.

Die Krankenversicherung meldete dem Rentenversicherungsträger demnach ein Gesamtentgelt für die Zeit von 1.12.2010 bis 25.03.2011 in Höhe von 13.678,- Euro.

Hierdurch resultierte ab Rentenbeginn zusätzlich eine um monatlich 10,06 Euro höhere Rente.